In der Arbeit Jäger und Sammler wird der Einsatz von neuen Technologien bei der Jagd und der Nahrungssuche zum Thema gemacht. Die Kybernetik (griech. κυβερνητικός kybernetikos „steuermännisch“) spielt hier eine zentrale Rolle, denn die zur Hilfe genommenen Werkzeuge, eine VR-Brille und die darüber gesteuerte Drohne, zeigen sinn-bildlich die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Es wird ersichtlich, dass der Mensch/Jäger nicht einseitig mit der Drohne kommuniziert indem er sie steuert. Stattdessen ermöglicht sie ihm andere Perspektiven auf die Natur und in die Welt in der er agiert, reagiert und navigiert. Es entsteht ein Moment ähnlich des Rausches oder der Trance, welches Fantasien von archaischen Jagdmethoden und einer dem zivilisierten Menschen fremden Beziehung zur Natur anregt. Die technologischen Hilfsmittel scheinen hier Medium, als auch Filter, zwischen Mensch und Natur zu werden.
Meine Forschungsstätte besteht aus dem Schichtstufenland, Flüssen, Steinbrüche, Sümpfen, Wäldern, Dolinen, Dünen, Moränen und Ozeanen. Das Niveau der Felsen und Gesteinsstufen um mich herum ist eine komplexe Realität. Nichts ist wie das Andere und es transformiert sich ständig. Das Trommelfell der Zeit verschmilzt und verewigt sich mit dem Tropfen, in dessen instabilem Zustand der Zufall getragem und verborgen wird. An diesem Punkt werden die Bereiche der Symbolik und der Realität verwoben. Die Untersuchung unterschiedlicher Orte gab mir ein tieferes Verständnis der Mechanismen aktueller natürlicher Beziehungen und der Korrelationen innerhalb dieser Beziehungen. Mich interessieren die Physischen Kräfte, die unter Wasser oder an anderen Orten mit extremem Klima wirken, wie sie beispielsweise im Weltraum auf und in verschiedenen Himmelskörpern zu finden sind. Der Zerfall der Materie ist in seiner ersten Phase ein Auflösungsprozess, aber es geht nichts verloren sondern es entsteht sofort etwas Neues. Wie der verbleibende Kohlenstoff nach einem Brand oder das reine Leben, das sich entwickelt, wenn Eis schmilzt. Das inspiriert mich, meine Arbeit diesen Phänomenen zu widmen.
Die Nutzung einer Materialbibliothek folgt keiner formellen Entscheidung. Im Verlauf meiner Arbeit ist dies der sachliche Ort meiner Kunstpraxis. Diese ständig wachsende Materialbibliothek ist das Reagenzglas, das ich untersuche, und daher die Quelle meiner Arbeit. Die Verarbeitung und Differenzierung von Materialien ermöglicht es, ihre Leistung besser zu verstehen, was auf die inhärenten Gesetze der Physik und den Einfluss der Schwerkraft zurückzuführen ist. Im Langzeitprozess werden Schichten unterschiedlicher Materialien abgelagert und verdichtet. Meiner Meinung nach spielt es keine Rolle, ob die Verarbeitung von Materialien mit bestimmten Farben eine symbolische Bedeutung impliziert, da ich mich mehr für den Stoffwechsel interessiere, also für die Konsistenz der Materie und ihren Austausch mit anderen Materialien sowie die Plastizität dieser Verbindungen. Mein Arbeitsprozess beinhaltet auch chaotische Prozesse, daher sind die Ergebnisse unvorhersehbar. Die Erkenntnisse über meine Arbeit führen oft zu neuen oder zumindest differenzierteren Handlungsweisen. Meine Arbeit umfasst eine Reihe von Skulpturenkreationen, womit die Vorgänge an verschiedenen Medien oder Ausstellungsorten ausgelöst werden. Die Art des Arbeitsprozesses, spezifische Angaben zur Größe, Statik, Aushärtungszeit, Umwandlungszeit und Dichte der Materie sowie die möglichen Formen der Skulptur halte ich auf Zeichnungen fest, die für mich als eine Art künstlerisches Rezept fungieren.
Valentino Berndt ist ein mexikanisch-deutscher Künstler, der in Stuttgart lebt und dessen Arbeit überbrückt die Bereiche zwischen bildende Kunst, Klang, Kybernetik, Umweltphänomenologie, Stoffwechsel und Kulturgeschichte.