Corals

Vivien Ruth Sutah Ruxton

2019 - 22xx | Öl, Acryl, Acrylink, Gouache auf Malplatte, 30 x 24cm | 03.08. - 19.10.2024

Die Serie Corals von Vivien Ruth Sutah Ruxton (*1987) entfaltet eine faszinierende Balance zwischen Einheit und Individualität: Jede Koralle glänzt sowohl als integraler Bestandteil des Gesamtkonzepts als auch als einzigartiges Kunstwerk. Korallen, oft im Verborgenen der Tiefsee liegend, werden durch die Malerei ins Licht und in den Vordergrund gerückt. Korallen sind keine Einzelgänger, sie bilden Kolonien, die komplexe, eng verbundene Gemeinschaften schaffen. Jede Koralle trägt, trotz ihrer geringen Größe, maßgeblich zur Stabilität und Gesundheit des gesamten Riffs bei. So hält uns die Serie einen Spiegel vor: Sie fordert uns als Gesellschaft auf, die Fragilität und Bedeutung unserer Ökosysteme zu erkennen und auf die Interdependenz unserer Gesellschaft zu übertragen.

Korallen faszinieren nicht nur durch ihre filigrane Zartheit und gleichzeitig bemerkenswerte Widerstandskraft. Sie sind die Baumeister der Meere, bieten Lebensraum und Nahrung für etwa 25 % aller Meeresbewohner, was sie zu einem wichtigen Bestandteil der globalen Biodiversität macht. Korallenriffe schützen Küsten vor Erosion und Sturmschäden, indem sie Wellenenergie absorbieren. Zudem sind sie bedeutende Ressourcen in verschiedenen Bereichen wie z.B. der Medizin (Krebsforschung). Sie unterstützen die Lebensgrundlage von Millionen Menschen weltweit. Aber Korallen sind bedroht: Klimawandel, Umweltverschmutzung und menschliche Eingriffe setzen ihnen massiv zu. Ohne Korallen werden viele Meeresbewohner und schließlich auch wir Menschen erhebliche Konsequenzen tragen müssen. Es stellt sich also die tiefgreifende Frage: Während Korallen ohne uns Menschen überleben können, können wir als Menschheit ohne die einzigartigen Attribute der Korallen bestehen?

Mit der Serie und dem Einsatz verschiedener Malmittel wie Öl, Tinte, Acryl und Gouache erforscht Ruxton auf beeindruckende und vielseitige Art und Weise die eingangs beschriebene Balance. Wie Tinte, die sich auf feuchtem Untergrund wolkig, frei und fast nicht begrenzbar ausbreitet, wachsen Korallen in oft unvorhersehbaren, fluiden Mustern. Diese Technik veranschaulicht die scheinbare Loslösung von festen Grenzen, die sowohl in der Kunst als auch im natürlichen Wachstum der Korallen zu beobachten ist. Acrylfarben, mit ihrer schnellen Trocknungszeit, erzeugen klare Kanten und definierte Linien. Diese scharfen Konturen erinnern an die präzisen, oft kantigen Strukturen vieler Korallenformationen.

Ruxtons Vater stammt aus Australien, während ihre Mutter u.a. Wurzeln bei den Seaconke Wampanoag hat – einem indigenen tribe aus den USA. Sie lässt in der Serie Corals, wie auch in ihren anderen Arbeiten, zusätzlich Elemente ihrer eigenen, komplexen Familiengeschichte einfließen. Korallen besitzen ein genetisches Gedächtnis, das es ihnen ermöglicht, über Generationen auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren. In ähnlicher Weise bewahren und übermitteln viele indigene Gemeinschaften, über Generationen hinweg, Wissen wie beispielsweise über Landnutzung, Heilmittel oder nachhaltigen Ressourceneinsatz. Diese Parallelen, die Vivien Ruxton in ihrer künstlerischen Darstellung von Korallen gekonnt einfängt, fordern uns auf, die zerbrechliche Schönheit und die immense Bedeutung der Korallen zu würdigen, zu schützen und unsere eigene, sowie gesellschaftliche Rolle in globalen Ökosystemen zu reflektieren.

J. Johnson, 2024