Moos : [Abteilung Bryophyta], eine von mindestens 12.000 Arten kleiner, nicht vaskulärer, sporentragender Landpflanzen {Encyclopaedia Britannica}
Moos, als allererste Landpflanze, ist 450 Millionen Jahre jung und überlebt im Ruhezustand Temperaturen zwischen -272ºC und 100ºC. Allgegenwärtig, oft übersehen, sporenausbreitend, wurzellos, rhizoid und haarig, schafft es Mikrohabitate. Kühlend, stabilisierend und regenerierend, besiedelt es Böden nach Abholzung und Feuer.
Die Ruinen des Lustgartens Schloss Solitude sind noch heute in der Landschaft präsent. Ein ausgehobenes Loch markiert das Theater, der kleine Teich ist ein Überbleibsel eines großen Sees, in dem einst dreißig Gondoliere mit ihren in Venedig gefertigten Booten fuhren. Der Bau des Lustgarten wurde nie vollendet. Bäume, Büsche und Pflanzen haben seine Überreste erobert und überwuchert.
Im Land der Ruinen herrscht die so genannte „Natur“ vor. Wenn alles Leben scheinbar zerstört ist, knacken die Wurzeln. In dichten städtischen Gebieten sprießen grüne Triebe aus Rissen im undurchlässigen Beton. Auch das ist die Natur des Mooses. Moos wächst in Rissen,
an Rändern,
auf Grenzen,
im Schatten.
Diese Skulptur/Monument/Artefakt/Ruine/Lebewesen Gemeinschaft(?) nutzt das Terrarium, welches als Instrument des europäischen Imperialismus eingesetzt wurde. Die Kolonisierung von Land, Menschen und Natur durch die Entnahme und erzwungene Migration von Schlüssel-Pflanzen wurde so ermöglicht.
Das Terrarium und sein Unterbau, das die Präsenz des Moos als Mitbürger*In sichtbar macht, nimmt Bezug auf „staatliche“ Architekturen in Baden-Württemberg. Die Fassade besteht aus einer Landkarte, einer Gravur im Maßstab 1000:1 aus dem Lustgartenplan, mikroskopische Selbstporträts 100:1 und eine Lebensgemeinschaft von Moos 1:1 zeigt.
Oszillierend zwischen Frequenzen, erzeugt durch das Mikroklima im Inneren des Terrariums, wird klanglich auf das Wasser reagiert, das in einem Live-Stream durch die Pflanzen fließt.
In der Installation entfaltet sich ein Spiel mit den westlichen Sichtweisen der Wissenschaft, die sie einerseits aufnimmt als auch erweitert und untergräbt. Jenseits der kruden Vereinfachung von Messung und Rationalität hebt sie Moos als eine Spezies mit Intelligenz, Eleganz und so genannter „Dominanz“ hervor.
– Soundarbeit, produziert in Zusammenarbeit mit Eva Dörr und Neil Luck
– Skulptur, produziert in Zusammenarbeit mit Helmut Dietz und Yvette Hoffmann
– Voiceover-Auszüge aus Gathering Moss von Robin Wall Kimmerer
Towards Species Citizenship ist eine künstlerische Kollaboration, die die wissenschaftliche Definition von Arten erweitert, um das Leben in allen Formen zu sehen. Dabei setzen sie ihre Arbeit in Bezug zum aktuellen politischen Geschehen. Sie entsteht in der Zusammenarbeit mit der gesamten Umwelt: lokalen Expert*Innen, Künstler*Innen, Wissenschaftler*Innen, Folklore und der non-human community.